Rede auf der Luxemburg – Liebknecht – Ehrung Frankfurt (Oder), 19. Januar 2014

19. Januar 2014

Wir waren am vergangenen Sonntag in Berlin- Friedrichsfelde, wie in fast jedem Jahr. Ich war dort schon als junger Pionier, später als Mitglied der FDJ, und als Angehöriger der Kampfgruppe paradierte ich vor der Partei- und Staatsführung.
Ich war auch dabei, als die Polizei uns jagte, nach 1990, weil die Gewalthaber begriffen hatten, dass sie eine große Idee zwar diskreditieren, nicht aber tilgen könnten.
Und ich bin heute hier, wie in fast jedem Jahr, um der beiden zu gedenken, die von Freikorpsleuten im Blutrausch bestialisch ermordet wurden, auf Befehl von Major Waldemar Pabst.

»… Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten«¹

hieß es auf Plakaten der Antibolschewistischen Liga seit Dezember 1918.
Karl und Rosa wurden erschlagen, Frieden gab es nicht und Arbeit und Brot erst wieder bei der Vorbereitung des nächsten Krieges.
Deshalb ist Gedenken an Luxemburg und Liebknecht für mich nicht nur antifaschistische Tradition, sondern auch das Treffen Gleichgesinnter mit der Zuversicht, dass eine andere Welt möglich ist, auch eine friedliche. In diesem Jahr wird der Beginn des I. Weltkrieges im Fokus stehen. Luxemburg und Liebknecht, die entschieden gegen den Krieg kämpften, wahrscheinlich eher nicht. Aber ihr Mut kann für uns heute Beispiel sein, denn Krieg ist zu einem permanenten Zustand in der Welt geworden. Deutschland ist dabei keineswegs zurückhaltend, das imperialistische Deutschland in nahezu ungebrochener Kontinuität. Auch mit ungebrochenen Biografien. Major a. D. Pabst lebte unbehelligt in der Bundesrepublik, machte Waffengeschäfte und bediente das Bundesamt für Verfassungsschutz. In seinem Nachlass fand sich ein Brief vom 26. Juni 1969, in dem er schrieb:

»Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Als Kavalier habe ich das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.«²

Bundeswehroberst Klein, der in Afghanistan Mord befahl, stand genau wie Pabst nicht vor Gericht. Allerdings wurde er General und er wird es bleiben. Kontinuitäten! Auch in der Rüstungsindustrie sind sie zu erkennen: 1,2 Milliarden Gewinn 2011 sprechen für sich. Kontinuitäten bei der Tilgung demokratischer Rechte sind deutlich sichtbar. Überwachungsmonster spitzeln weltweit, Dienste, die in ihrem Namen den Begriff Schutz führen, schützen weniger, als sie Verbrechen befördern und vertuschen, Willkür gegen Andersdenkende – auch hier ist die Kontinuität nicht gebrochen. Die Bundeswehr wird zur Interventionsarmee umfunktioniert, ausgerüstet für Auslandseinsätze, aber auch für die im Inneren. »Heimatschutzverbände« mit Reservisten aus der Bundeswehr (Interessenten aus der Armee der DDR sind ausgeschlossen) sind gebildet – auch im Land Brandenburg. Die Militärministerin verspricht Familienfreundlichkeit ins Soldatsein zu bringen. Kontinuität? Kraft durch Freude?

All das klingt wie ein Schreckensszenario. Die Gegenbewegung kann wohl nur durch die Wahrnehmung aller verbliebenen Möglichkeiten des Widerstands – parlamentarisch und außerparlamentarisch, durch zivilgesellschaftliches Engagement und gesellschaftliche Geschlossenheit entstehen. Wir werden in diesem Jahr 2014 Möglichkeiten haben, uns zu artikulieren. Nutzen wir sie – vielleicht auch mit dem Gedanken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Gerhard Hoffmann

¹Zitiert nach: Köhler Otto: Pabst lachte schallend. In: junge Welt, 11./12. Jan. 2014
² ebenda