Rezitation zum Tag der Mahnung in Frankfurt (Oder) 2013

9. September 2013

Karl Schnog (1897-1964)

hatte sich autodidaktisch literarisch entwickelt und gehörte in der Weimarer Republik zu den gesellschaftskritischen Dichtern und Kabarettisten, er arbeitete u.a. mit Erich Weinert, Leon Hirsch, Erwin Piscator zusammen. 1940 wurde er verhaftet und als Schutzhäftling in die KZ Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald verschleppt. In Buchenwald stärkte er mit seiner Kunst den Überlebenswillen der Häftlinge. Nach der Befreiung war er im Rundfunk und als Chefredakteur der satirischen Zeitschrift „Ulenspiegel“ tätig.
Seit der Antike galt „Jedem das Seine“ als philosophische Theorie, wonach jeder in einem Gemeinwesen das erhalten sollte, was ihm zusteht. Die SS verhöhnte mit dem Sinnspruch die Häftlinge des KZ Buchenwald, prügelte, misshandelte und mordete.
Heute tragen Angehörige der Feldjägertruppe der Bundeswehr, der Militärpolizei den Schriftzug in ihren Barettabzeichen.

Karl Schnog

Jedem das Seine   (1943)

Die Herren haben wirklich Humor
In diesen bitteren Zeiten:
„JEDEM DAS SEINE“ steht höhnisch am Tor;
Durch das die Häftlinge schreiten.

So leuchtet, erhaben und arrogant,
Was sie an das Höllentor schmieden.
Uns ist auch ohne das Sprüchlein bekannt,
Was jedem im Lager beschieden:

Dem Häftling – das Stehen in Sonne und Sturm,
Erfrieren und klatschende Güsse.
Dazu vom todesdrohenden Turm
Das ernste Versprechen der Schüsse.

Den Henkern – die Ehre, der schmackhafte Schmaus,
Das Gleiten auf federnden Felgen;
Die Ruhe und das behagliche Haus,
Die Wollust, die Macht und das Schwelgen.

Dem Häftling – der Hunger, die Angst und die Last,
Die Marter, die viehischen Witze;
Das Essen, das Baden, das Schlafen in Hast
Und schließlich die mordende Spritze.

Ihr Herren, die ihr heute noch grient,
Glaubt mir, was ich schwörend beteure:
Einst holt sich der Häftling, was er verdient.
Und Ihr? Ihr bekommt dann das Eure!