Rede zum Antikriegstag 2013

1. September 2013

Zum 1. September 2013

In den vergangenen Jahren sprach ich oft am Weltfriedenstag, der zum Antikriegstag werden musste. Als Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten nehme ich diese Verantwortung zur Wahrung des Vermächtnisses der Opfer wahr.

Nie fiel es mir so schwer zu sprechen, wie in diesem Jahr, denn wir leben in Stunden vor einem neuen Krieg. Ein Friedensnobelpreisträger wird den Befehl geben und Marschflugkörper und anderes Kriegsgerät werden Menschen in Syrien töten und verheerende Schäden anrichten. Der Krieg wird, wie wir inzwischen mehrfach erfahren mussten, keines der Probleme in Syrien lösen. In Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen bluten die geschlagenen Wunden. Ein neuer Schlag soll folgen.

Seit mehr als zwei Jahren hat Krieg Syrien nahezu um die Existenz gebracht und nun heißt es: »Amerikas Stunde der Wahrheit. Obama hat sich entschieden: Angriff auf Assads Truppen unausweichlich« (WEB.de, 31.8.2013); » Schlinge um Assad zieht sich zu« (WEB.de, 29.8.2013); » Angriff als Vergeltung für Giftgaseinsatz. Der Westen plant vorerst keinen Sturz Assads« (MOZ, 29.9.2013). Die Medien haben sozusagen die Lufthoheit übernommen. Wie wir bei vorangegangenen Kriegen erfahren mussten, stirbt die Wahrheit zuerst. Es seien »Anzeichen« eines Chemiewaffeneinsatzes gefunden worden und US amerikanische Geheimdienste wollen das mit illegal abgehörten Telefonaten belegen. Wohlbemerkt sie wollen und sie werden es, wenngleich das elementarster Logik widerspricht.

Hierzulande tobt der Wahlkarneval und deshalb scheint die deutsche Rolle zurückhaltend. Nach dem 22. September wird sich Deutschland wieder als treuer Verbündeter der USA gerieren. Und das wird wieder alternativlos sein. Diese Alternativlosigkeit ist es, die es gestattet, dass im Bundeswehr – Fliegerhorst Büchel nach wie vor 20 US-Atomwaffen lagern. Indem die Bundesregierung der Modernisierung dieser Waffen zustimmte, sanktionierte sie deren Verbleib (nd, 13.8.2013). Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP von 2009 ist vereinbart, dass sich die Bundesregierung für den Abzug dieser Waffen einsetzen wolle. Tatsächlich hat die Bundesregierung Investitionen in deutsche Kampfbomber Tornado versprochen, damit diese künftig auch Atomwaffen abwerfen können. Das wird gebraucht, weil wir von Freunden umgeben sind? Das wird gebraucht, um jederzeit an jedem Ort der Welt Krieg führen zu können. Nach zwölf Jahren Krieg wird die Bundeswehr Afghanistan verlassen. Frieden herrscht in dem Land keineswegs. Für die Rückführung von Technik und Truppe kostet eine Flugstunde 33.000 Euro, pro Jahr sind 1080 Flugstunden vereinbart. Seit 1990 war die Bundeswehr an 44 Auslandseinsätzen, sprich: Kriegen, beteiligt. Unvollständige Berechnungen der Bundesregierung zufolge mussten dafür 17,0525 Milliarden Euro ausgegeben werden. Das entspricht den Gesamtausgaben des Bundes für Bildung und Wissenschaft in einem Jahr. (nd, 17.8.2013)

Sehe ich diese Kreisläufe und Zusammenhänge, so zweifle ich an der Möglichkeit, dass Vernunft siegen könnte. Und es drängt sich mir die Frage nach dem Sinn des Redens am Antikriegstag auf.
Aber:

»Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz… Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.«

Bertolt Brecht sagte das auf dem Völkerkongress für den Frieden in Wien 1952 (12.-20. Dezember 1952; in Bertolt Brecht: Schriften zur Politik und Gesellschaft. Band II. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1968. S. 219.)
In diesem Sinne bin ich Ihnen allen dankbar, dass Sie mir zuhörten.

Gerhard Hoffmann, 31.8.2013