Rede zum Ostermarsch 2012 in Frankfurt (Oder)

10. April 2012

Ich kann am diesjährigen Ostermarsch nicht teilnehmen und unterbreche damit leider eine langjährige Tradition.

Meine Gedanken sind bei allen, die an diesen Osterfeiertagen wieder auf der Straße sind für das Einfache, das so unendlich schwer zu machen ist.
Es macht mich zornig in einem Land zu leben, das, nachdem es in zwei Kriegen die Welt verwüstete, heute zu den weltweit größten Waffenexporteuren gehört. Alle möglichen Finanzhilfen werden erfunden, damit beispielsweise Griechenland und Portugal letztlich Waffenlieferungen aus Deutschland bezahlen können. Mich erfüllt mit großer Sorge die Tatsache, dass Deutschland an Israel U-Boote liefert, die zu Teilen von deutschen Steuerzahlern bezahlt, Abschussbasen für Atomwaffen haben oder damit nachgerüstet werden können. Das Interesse Israels, einen Krieg gegen Iran zu entfachen, ist unübersehbar…Mein Dortmunder Freund Ulrich Sander von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten machte diese Tage auf etwas aufmerksam, das ich vermitteln möchte:

»Hunderttausendfacher Protest hat einst in Kalkar am Niederrhein dafür gesorgt, dass dort kein Atomkraftwerk entstand […] Doch es gibt Grund, wieder in großer Zahl dort zu protestieren. Bundeswehrführung und NATO haben in Kalkar […] das Hauptquartier für Luftkriegsoperationen aufgebaut. Eingreiftruppen in aller Welt können seit 2012 von der von-Seydltz-Kaserne aus kommandiert werden. […] 9.000 Soldaten [der schnellen Eingreiftruppe] können im Auftrag der NATO in kurzer Zeit in den Krieg geschickt werden. Es wäre ein Krieg von deutschem Boden aus, ein Krieg, der auch unser Land zum Kriegsschauplatz macht. Raketen sind Magneten. [Hervorhbg. G.H.]
Die Ostermarschierer vom Rhein und von der Ruhr brachten es in ihrem Aufruf für die diesjährigen Aktionen auf den Punkt: ‚Durch das ungehemmte Vorgehen der NATO werden das Völkerrecht und die weltweite Friedensordnung verletzt. Die Gefahr von Kriegen steigt, die Welt wird unsicherer. NATO-Kriegseinsätze werden auch von Nordrhein-Westfalen aus gesteuert, so durch das der NATO unterstellte Luftwaffen-Führungshauptquartier in Kalkar.’
Von Kalkar aus wird zunächst der Luftraum nördlich der Alpen observiert. Auch das Kommando für den umstrittenen NATO-Raketenabwehrschild wird in Deutschland errichtet: auf dem NATO-Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein, 380 Kilometer von Kalkar entfernt. […] Zunächst wird aber in Kalka geübt. […] Die NATO spielt Krieg, und in Kalkar wird er auf dem Reißbrettgeplant und gesteuert. Die Neue Ruhr/Rhein Zeitung […] berichtete von der Herbstübung: ‚Auch wenn beim Rundgang durch das Luftstreitkräfte-Hauptquartier in der von-Seydlitz-Kaserne alle von humanitären Einsätzen und Stabilisierung der Regierung reden – als das Pressegespräch mit dem Kommandierenden angesetzt ist, hat es dann in der Computersimulation doch geknallt. Drei-Sterne-General Dieter Naskrent kommt mit einer halben Stunde Verspätung und ernster Miene. ‚Eine gestohlene, mit Sprengstoff beladene Cesna hatte Kurs auf die Hauptstadt genommen’, sagte er. Und kommt nach einigen Erklärungen über Abdrängversuche und Warnschüsse auf den Punkt. ‚Wir haben sie abgeschossen.’ Schweigen. Dann, auf eine Nachfrage: ‚Ja, letztlich habe ich den Befehl dazu gegeben.’
Es wäre ein illegaler Befehl, ein Verfassungsbruch. […] Gemeint ist das Grundsatzurteil zum Luftsicherheitsgesetz, mit dem das [Bundesverfassungsgericht] im Hinblick auf Artikel 1 des Grundgesetzes (Recht auf Leben) das Abschießen von Zivilflugzeugen durch Kampfjets verbot. Doch zu oft verweigerte die Bundeswehr schon den Gehorsam gegenüber der Verfassung [als dass wir beruhigt sein könnten.]«

Soweit Uli Sander, nachzulesen in Ossietzky, Heft 07/2012, S. 241f.

Im brandenburgischen Geltow bei Potsdam, wir müssen gar nicht bis nach Kalka schauen, arbeitet das Einsatzführungskommando der Bundeswehr (EinsFüKdoBw). Es plant und führt den Einsatz deutscher Streitkräfte, beispielsweise in Afghanistan. Von Geltow aus wird Krieg geführt!

Ob Kalka oder Geltow: Das ganze Militärgerümpel gehört in die Tonne. Krieg muss aufhören, ein Mittel der Politik zu sein.
Deshalb auch zu Ostern auf die Straße zu gehen, bleibt ein hoher ethischer Wert.
Mein herzlicher Gruß allen, die für Frieden zu Ostern 2012 in Frankfurt (Oder) auf der Straße sind!
Gerhard Hoffmann