Rede zum 8. Mai Tag der Befreiung 2014
9. Mai 2014
Als Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, die in der Tradition des „anderen Deutschland“ von 1933 bis 1945 steht, in der Tradition des antifaschistischen Widerstands, unabhängig von politischer oder weltanschaulicher Herkunft, grüße ich Sie alle an diesem Maitag.
Unser großer Dank, unser Spassibo soll allen gelten, die dazu beitrugen, dass vor 69 Jahren, mit der Befreiung vom Faschismus auch der barbarische Krieg beendet werden konnte.
Wir verneigen uns vor jenen, die gemeinsam mit der Roten Armee mutig und zuversichtlich alles unternahmen, um den ersehnten Frieden herbeizuführen.
Auf ihrem Weg nach Berlin mussten sie durch ihre bis zur Unkenntlichkeit verwüstete Heimat, vorbei an den Gräbern ihrer Lieben. Sie befreiten die Häftlinge im Vernichtungslager Auschwitz, die von Sachsenhausen und Ravensbrück. Andere befreiten die KZ Dachau und Bergen-Belsen, Majdanek, Treblinka, Mauthausen und die vielen, in denen die Gegner des Faschismus so grausam geschunden wurden wie die, die nicht in die vermeintliche Volksgemeinschaft passten.
In diesem Jahr gedenken wir auch des 70. Jahrestages des Durchbrechens der Blockade von Leningrad. Die deutsche Wehrmacht hatte die Stadt vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 eisern umschlossen. 900 Tage ertrugen die Menschen den deutschen Würgegriff.
Auf dem Friedhof Piskarjow sind die Toten der Blockade in Massengräbern beerdigt. Ein Vers aus einem Gedicht von Olga Bergholz
Niemand ist vergessen und nichts wird vergessen
prägt sich dem Besucher lebenslang ein. Die tiefe Bedeutung der Worte müssen wir in uns bewahren und wir sind verpflichtet, sie den nach uns Kommenden zu vermitteln.
Im Konzentrationslager Buchenwald hatten die Häftlinge ihre Befreiung vorbereitet und als sich amerikanische Truppen dem KZ näherten, in einer militärischen Aktion die verbliebenen SS-Leute festgenommen und das Lager den Amerikanern übergeben. Auf ihrer Gedenkfeier für die 56 000 toten Kameraden schworen am 19. April 1945 21 000 Überlebende
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Dass die Umsetzung der großen humanistischen Gedanken dieser Sätze bis heute nicht Wirklichkeit werden konnte, ist besonders tragisch. Wenn heute der Schwur von Buchenwald als kommunistische Inszenierung diffamiert wird und man in ernstzunehmender Publikation den Schwur inhaltlich verkürzt, indem der Verweis auf die Wurzeln des Nazismus weggelassen wird, zeugt das von verantwortungslosem Umgang mit Geschichte und von politischem Unwillen, aus der Geschichte Lehren zu ziehen.
Unbelehrbare suchten am 1. Mai unser Stadt heim. Sie machten mit ihren Reden deutlich, wie wichtig nachhaltiger antifaschistischer Widerstand ist. Mit geschickter Demagogie verbreiteten ihre Propagandaredner neofaschistisches, antisemitisches, antiziganistisches, rassistisches und nationalistisches Gedankengut. Das zu verbreiten ist verbrecherisch und darf nicht geduldet werden, wenngleich staatlich geschützt. Die Metastasen des Geschwürs sind keineswegs verborgen, sie sind für jeden sichtbar, denn nahezu an jedem Tag ereilen uns Nachrichten von neofaschistischen Übergriffen, Propagandaveranstaltungen, Gewaltakten, von internationaler Vernetzung, von Zunahme rechter Gewalt in einigen europäischen Staaten.
Setzen wir dagegen deutliche Zeichen auch und gerade am 8. Mai, dem Tag der Befreiung und gerade am 9. Mai, dem ersten Tag der Freiheit, dem Tag des Sieges.
Die Wurzeln des Nazismus sind nicht vernichtet, die Welt des Friedens und der Freiheit gibt es nicht.
Es bleibt ausreichend zu tun. Sich für die Verwirklichung dieser Ziele immer wieder einzusetzen, ist für Menschen guten Willens Grundvoraussetzung menschlichen Zusammenlebens und zusammen leben wollen wir.
Gerhard Hoffmann
Die Vorsitzenden der VVN-BdA Cornelia Kerth und Heinrich Fink richteten einen Offenen Brief an den Außenminister der Bundesrepublik Deutschlands:
Im Andenken an den 8. Mai: Verantwortung für eine friedliche Lösung in der Ukraine übernehmen
Die Situation in der Ukraine ist alarmierend und gibt jeden Tag mehr Grund zur Sorge.
Die Beteiligung der langjährigen NPD-Partnerorganisation „Swoboda“ und des mit ihr verbandelten militant-faschistischen „Rechten Sektors“ an der amtierenden Regierung in Kiew und deren Anerkennung durch EU und Bundesregierung haben das Land an den Rand des Abgrunds gebracht.
Durch die Regierungsbeteiligung sind Kräfte mit Macht ausgestattet und staatlich legitimiert, die sich offen und aktiv auf die faschistischen Kollaborateure des Vernichtungskriegs beziehen. Das mobilisiert bei allen Gruppen, die historisch den Faschisten zum Opfer fielen, insbesondere bei der jüdischen Minderheit, bei Antifaschist_innen und russisch-sprachigen Bürger_innen der Ukraine berechtigte Ängste. Diese Ängste ernst zu nehmen, ist eine notwendige Schlussfolgerung aus der deutschen und europäischen Geschichte.
Dass nicht nur von Seiten der Regierung in Kiew, sondern auch aus Russland, an nationalistische Haltungen und Gefühle appelliert und entsprechende Kräfte von beiden Seiten unterstützt werden, ist unübersehbar.
In einer solchen Situation wäre es Aufgabe der „Friedenspreisträgerin“ EU und der Bundesregierung für De-Eskalierung zu sorgen. Stattdessen wird über buchstäblich alle Kanäle das anti-russische Ressentiment gepflegt und verstärkt. Während die offene Gewalt der Demonstrant_innen auf dem Maidan nicht nur als legitimer Volksaufstand unterstützt wurde, sondern auch die Regierung davor gewarnt wurde, mit Gewalt zu antworten, bleibt der Einsatz von Militär in der Ost-Ukraine ohne öffentliche Reaktion.
Der Tod von 42 Menschen im brennenden Gewerkschaftshaus von Odessa hat die Situation dramatisch zugespitzt. Auch wenn sich nach wie vor nicht feststellen lässt, wie es dazu gekommen ist, so schreibt doch der „Vorwärts“ zutreffend:
“Die Bilder sind schrecklich genug: Flammen schlagen aus dem Haus. Menschen versuchen sich aus den Fenstern zu retten. Männer auf dem Platz davor, in Tarnanzügen, jubeln, schießen auf die Fassade, schleudern Brandsätze auf die pro-russischen Aktivisten, die aus dem Inferno fliehen wollen. Wieder einmal greifen die Sicherheitskräfte nicht ein.“
Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie ihren – offenbar in beide Richtungen vorhandenen – Einfluss nutzt, um die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Damit würde sie tatsächlich einer „besonderen deutschen Verantwortung“ gerecht werden.
7. Mai 2014
Als Antifaschisten unterstützen wir nachdrücklich den Appell, in dem der Bundesausschuss des Friedensratschlags feststellt:
»Es ist für uns unerträglich, mitansehen zu müssen, wie in diesen Tagen antirussische Stimmung in unserem Land gemacht wird … Der Respekt gegenüber den Opfern des Zweiten Weltkrieges und des danach geltenden Grundsatzes ›Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg‹ erfordert die Zurückweisung einer Propaganda, die an alte ›Vorbilder‹ anknüpft …
»Es waren die EU und die NATO, die mit ihrer Osterweiterung und Einkreisungspolitik Rußlands Sicherheitsinteressen angegriffen haben. Und es war der Sturz der Regierung in Kiew, in dessen Gefolge eine von Rechtsradikalen und neofaschistischen Kräften beeinflußte, extrem antirussische ›Übergangsregierung‹ die Macht ergriff.« jW 5.5.2014