Zur Antifa-Kundgebung am 24. September 2011 Frankfurt (Oder)

24. September 2011

Ca. 80 Menschen fanden sich zur Kundgebung ein, hier die Rede der VVN BdA:

Fast auf den Tag genau vor siebzig Jahren, am 19. September 1941 traten Verordnungen in Kraft, in deren Paragraph 1 es hieß

»Juden, die das 6. Lebensjahr vollendet haben, ist es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne Judenstern zu zeigen.« 1

»In ihren Tagebuchaufzeichnungen hielt die Antifaschistin Ruth Andreas – Friedrich die Situation so fest: >Es ist soweit. Die Juden sind vogelfrei. Als Ausgestoßene gekennzeichnet durch den gelben Davidstern, den jeder von ihnen auf der linken Brustseite tragen muß. Wir möchten laut um Hilfe schreien. Doch was fruchtet unser Geschrei? Die, die uns helfen können, hören uns nicht. Oder wollen uns vielleicht nicht hören. ‚Jude’ steht in hebräischen Schriftzeichen mitten auf dem gelben Davidstern.<«2
Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um deutlich zu machen, dass die Zivilgesellschaft sich gegenüber damals verändert hat und Versuchen, Antisemitismus, Rassismus, Fremdenhass und Herrenmenschentum zu nähren und zu mehren, eine Abfuhr zu erteilen fähig und in der Lage ist.
Neofaschisten hatten für heute in Frankfurt (Oder) einen ihrer Märsche geplant.

Das Bündnis »Kein Ort für Nazis Frankfurt (Oder)«, das sich gebildet hat, um diese Marschiererei nicht stattfinden zu lassen, nahm schnell an Breite und Bedeutung zu.
Die Provokation in Frankfurt (Oder) ist verboten worden.
Viele Akteure des Bündnisses sind heute nach Neuruppin gefahren, um die Bürgerinnen und Bürger dort zu unterstützen, einen geplanten Nazi-Marsch friedlich zu blockieren und den Nazis ein zivilgesellschaftliches STOPP-Zeichen zu setzen.

Zu denen, die ihren braunen Mist hier in Frankfurt (Oder) abladen wollten, gehören auch solche von der HNG, der neofaschistischen »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.« Die HNG ist als der bundesweit größte Naziverein am 21. September 2011 durch den Bundesinnenminister verboten worden. Die HNG bestärkt die Gefangenen in ihren nationalistischen Überzeugungen, um sie dem neofaschistischen Spektrum zu erhalten. Die HNG motiviert inhaftierte Neofaschisten, darunter zahlreiche Gewalttäter, den Kampf gegen das System weiterzuführen. Um das festzustellen und schließlich diesen Verein zu verbieten und das Verbot hoffentlich durchzusetzen, brauchte es tatsächlich zweiunddreißig Jahre.3

Die Dachorganisation für diesen Verein ist die NPD, eine Partei, die seit inzwischen siebenundvierzig Jahren ihr neofaschistisches Unwesen treibt. Das ist jene Partei, die mit ihrer Programmatik eindeutig das Grundgesetz angreift, die sich zweifellos verfassungsfeindlich darstellt und in diesem Sinne wirkt, was selbst einige Länderinnenminister inzwischen so beurteilen.
Die NPD ist jene Partei, die die Schoah leugnet und die in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit ausländerfeindlichen, rassistischen Parolen Wahlkampf führte. Ein besonders perfides Plakat, auf dem der Parteivorsitzende Voigt in Motorradkluft abgebildet war, trug den Titel »Gas geben«. Für jeden mit einem bisschen Geschichtsbildung drängt sich der Gedanke auf, dass die Nazis in Auschwitz und anderswo Gas gaben, um die mit dem Gelben Stern stigmatisierten Juden zu vernichten
Die bundesdeutsche Justiz fand heraus, dass ein Bezug zu den Naziverbrechen den Herausgebern nicht unterstellt werden könne und, wie es hieß, dass das hohe Gut der Meinungsfreiheit eine solche Aussage gestatte. – Als wenn der Herausgeber ein harmloser Kegelverein wäre. Man hätte zynisch ergänzen können: Der Wahlkampf dieser Partei wird schließlich mit staatlichen Geldern, sprich: Steuermitteln bezahlt.

Scheinheilig ist es, angeblich Meinungsfreiheit schützen zu wollen und neofaschistischem Gedankengut freien Lauf zu lassen.
Und eben diesen freien Lauf lässt man den Neofaschisten bei ihren Märschen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendwo marschiert wird. Leider wird immer öfter erkennbar, dass der Staat den neofaschistischen Aktivitäten Schutz bietet und zivilgesellschaftlicher Widerstand zerdroschen wird.
Der 19. Februar 2011 in Dresden, der 3. September 2011 in Dortmund, wo 763 Nazis von 10.000 Nazigegnern blockiert wurden und wo 5.000 Polizisten den Nazis die Straßen freiräumten oder der 11. September 2011 als der Berliner Alexanderplatz für eine handvoll Nazis hermetisch abgeriegelt wurde, keine Straßenbahn fahren konnte, die U-Bahn Zugänge gesperrt wurden – das sind wenige, willkürlich herausgegriffene Beispiele, sie ließen sich fortsetzen. Antifaschisten werden eingekesselt, in Schach gehalten, mit Pfefferspray misshandelt und das geschieht zunehmend hasserfüllt. Ich habe es erlebt.
Ich zitiere noch einmal, was ich anfangs zitierte: »Die, die uns helfen können, hören uns nicht.«

Mit dem Verbot der HNG ist ein Anfang gemacht. Wir erwarten nun die konsequente Fortsetzung: Das Verbot der NPD und ihrer Organisationen und Gliederungen!
Die Kampagne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten unter dem Motto »no npd – NPD Verbot jetzt! « fordert das seit Januar 2007. Innerhalb eines Jahres unterstützten diese Forderung bundesweit 17.545 Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unterschrift und in einer zweiten Phase 5404 mit einem eigenen Statement.
Wir fordern das so nachdrücklich, weil wir entgegen indifferenter anderer Auffassungen wissen:
Faschismus ist keine Meinung. Faschismus ist ein Verbrechen!

In diesem Sinne senden wir von hier aus herzliche solidarische Grüße an alle in Neuruppin, die sich den Nazis in den Weg stellen.

Gerhard Hoffmann

1 Zitiert nach Kurt Pätzold: »Er leuchtet voran auf dem Weg in die Finsternis«, in junge Welt, 19.9.2011, S. 10
2 Zitiert nach ebenda.
3 Vgl. Innenminister verbietet Neonazi-Verein, in Neues Deutschland, 22.9.2011